Der Dreißigenstrauß ist ein alter Brauch aus Mitteleuropa. Am Vorabend des 15. August werden bestimmte Heilkräuter zu einem Strauß gebunden und geweiht.
Altes geheimnisvolles Ritual
Am Vorabend des 15. August geht es in vielen Alpentälern geheimnisvoll her. Nach alter Tradition wird der sogenannte Dreißigenstrauß, auch Frauenstrauß oder einfach nur Hochunserfrauen – Kräuterstrauß gesammelt. Was viele nicht mehr wissen: es handelt sich dabei um ein altes Ritual aus der Frauenheilkunde.
Der Dreißigenstrauß bezieht sich auf die Spätsommertage (Dreißigentage) zwischen Maria Himmelfahrt (15. August) und dem Gedenktag der Schmerzen Mariens (15. September). Diese Tage werden auch die Frauendreißiger genannt und nach alter Volksmeinung waren sie besonders günstig, um Heilkräuter zu sammeln. Die Kräuterweihe, die ursprünglich am 8. September (Maria Geburt) stattfand, war zumindest noch im 19. Jahrhundert vielerorts der Abschluss dieser Sammelperiode.
Welche Pflanzen gehören in den Dreißigenstrauß?
Früher war es sehr wichtig, wieviel und vor allem welche Pflanzen für den Strauß gesammelt wurden. Dabei musste der Kräuterstrauß aus 7, 9, 33 oder 77 – entsprechend den magischen Zahlen der Germanen – verschiedenen Kräutern zusammengestellt werden. Obwohl es regionale Unterschiede gibt, finden sich meist folgende traditionsreiche Heilkräuter darin: Wermut, Baldrian, Rainfarn, Schafgarbe, Himbeerlaub, Liebstöckel, Dill, Haselnuss, Farnkräuter, Thymian, Mutterkraut, Gundermann, Johanniskraut, Goldrute, Melisse, Quendel und Majoran.
Der Frauenstrauß
Der Dreißigenstrauß war einst weit verbreitet und ein Bestandteil der traditionellen europäischen Medizin. Dass man diesen Strauß auch Frauenstrauß nannte, ist neben dem Umstand, dass der Hochunserfrauentag (15. August) und Maria Geburt (8. September) wichtige Frauentage sind, ein weiterer Hinweis auf eine ursprüngliche Rolle in der Frauenheilkunde. Dass dieses Ritual mythologisch eng mit der Frauenheilkunde verbunden ist, bezeugen zudem ältere Quellen. Um so älter die Zeugnisse, desto mehr Frauenpflanzen finden sich nämlich im Strauß. So nannte uns Johann Heyl 1897 (Volkssagen, Bräuche und Meinungen aus Tirol) folgende Pflanzen, die auf dem Ritten bei Bozen in Südtirol in einen typischen Strauß gehörten: Johanniskraut, Steinklee, Weinraute, Goldrute, Leinkraut, Beifuss, Königskerze, Habichtskraut, Wermut, Eisenkraut und Wolfsmilch.
Was macht man mit diesem Strauß?
Der geweihte Strauß wird am Dachboden getrocknet und gilt als Vorrat gegen Krankheiten und als Schutz vor Unwettern und bösem Zauber. So werden bei herannahendem Gewitter noch heute Teile des geweihten Straußes ins Herdfeuer geworfen, um diese zu vertreiben. Zudem wird mancherorts auch etwas in das Futter der Tiere gemischt, um diese vor vermeintlich bösen Krankheiten zu schützen. Früher gab man Teile des Straußes auch in das Essen von Kranken.
Auch wenn es hierzu keine Hinweise mehr gibt, so könnte der Dreißigenstrauß auch mit den „Unser Bettstrohkräutern“ in Verbindung gestanden sein. Auf diesen wurde früher die werdende Mutter während der Geburt gebettet, um Mutter und Kind vor bösen Einflüssen zu schützen. Hierzu aber mehr in einem gesonderten Beitrag.
Autor: Arnold Achmüller, erstellt am 2. August 2019 (zuletzt aktualisiert am 6. Mai 2020)