Die Bauerndoktoren

Es sind noch keine 100 Jahre her, da gab es in jedem größeren Tal im Alpenraum so genannte „Bauerndoktoren“, denen man besondere heilende Eigenschaften nachsagte.

Wer waren die Bauerndoktoren

Bauerndoktoren waren meist keine gelehrten Ärzte, wussten aber um die heilenden Eigenschaften einheimischer Pflanzen und alter Heilrituale bestens Bescheid. Manchen sagte man sogar magische Fähigkeiten nach, weil man sich Heilerfolge oftmals nicht anders erklären konnte. Meist nahmen sie für ihre Ratschläge nur eine Spende und boten auf diese Weise auch ärmeren Menschen die Möglichkeit einer medizinischen Hilfeleistung. Viele der Bauerndoktoren nahmen ihr wertvolles Wissen mit ins Grab, die Rezeptbüchlein von einigen dieser Heiler haben aber bis in unsere Zeit überdauert und bieten uns einen Einblick in die Volksmedizin unserer Ahnen.

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Der Höller Hansl

Besonders berühmt war der zu Beginn des 20. Jahrhunderts in der Steiermark tätige Bauerndoktor Johann Reinbacher, der sogenannte Höller Hansl. Bis zu mehreren hundert Patienten und Patientinnen kamen täglich auf den Höllerhof in Stainz. Er begutachtete den mitgebrachten Morgenurin – ganz in der Tradition der Säftelehre des Mittelalters – und stellte dann die Diagnose. Diese war meist sehr einfach gehalten (z.b. schlechtes Blut, Lungenerkrankung, saurer Schleim im Magen, Windverstopfung), dadurch aber auch leicht verständlich für seine Patienten. Als Therapie empfahl er  neben der Auforderung von Gebeten – meist Heilmittel aus der Kräuterheilkunde. Die Heilkräuter für seine Teemischungen bekam er unter anderem von Elisabeth Strametz, der sogenannten Kräuterliesl, einer weitbekannten Kräutersammlerin in der Umgebung von Stainz.

Höller Hansl (Sammlung Prof. Dr. Bernd Mader)

Der Kiendler aus dem Zillertal

Ein besonders interessanter Bauerndoktor war Alois Neuner. Der Kiendlerbauer, so wurde er genannt, wurde 1861 im Tiroler Oberland geboren und zog in späteren Jahren nach Hippach im Zillertal, wo er einer der gefragtesten Heiler Tirols wurde. Er galt allgemein als eher grob und seine Therapien wurden als regelrechte „Rosskuren“ betitelt. Trotz allem hatte er einen ungemein starken Zustrom an Hilfesuchenden. Der Zug ins Zillertal wurde sogar „Kiendlerzug“ genannt, da er voll von Patienten war, die zum Kiendler wollten.
Auch er diagnostizierte innere Leiden mithilfe der Harnschau, indem er den mitgebrachten Morgenurin betrachtete. Seine Patienten waren meist einfache Leute, die er oftmals auch kostenlos behandelte. Zu seinen Patienten zählten aber auch Mitglieder der österreichischen und deutschen Aristokratie. Bis heute sind zahlreiche Rezepte vom Kiendler überliefert, die einen tiefen Einblick in die Tiroler Volksmedizin des vorletzten Jahrhunderts ermöglichen.

Kiendler Bauerndoktor Volksheiler Tirol
Bauerndoktor Kiendler (Sammlung Gemeinde Schwendau)

Rezept: Beinwellwickel (nach Bauerndoktor Kiendler)

Zutaten:
100 g Beinwellwurzel
150 ml Wasser
50 g Heilerde

Zubereitung: Von der im Mai gesammelten Beinwellwurzel die äußere Rinde abschaben, trocknen und im Mörser zu Pulver zermahlen. Das Pulver in etwas Wasser kurz aufkochen und mit Heilerde zu einer Paste vermischen. Man trägt diese Paste als Wickel zur unterstützenden Heilung nach Knochenbrüchen auf. Hierzu die Paste auf ein Tuch aufstreichen und dieses auf die betroffene Stelle auflegen. Darüber ein trockenes Tuch legen und das Ganze mit einem Stück Stoff fixieren.

Autor: Arnold Achmüller, erstellt am 2. April 2019 (zuletzt aktualisiert am 13. Mai 2020)

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